Coachingbericht zum Thema
-Sucht und Co-Abhängigkeit-

Lesen Sie hier von Gabi und Peter, die im Rahmen einer Familien-Beratung/Coachings über die Alkoholsucht
ihres mittleren Sohnes sprachen.
Image

Morgen höre ich auf...

Der Fall: Gabi und Peter kamen zu mir in die Praxis, als sie das Gefühl hatten, nichts geht  mehr. Ihr mittlerer Sohn (Jonas, 19 Jahre alt) war zu diesem Zeitpunkt alkoholabhängig und  seine Sucht dominierte das komplette Familienleben. Der älteste Sohn (Florian, 22 Jahre alt)  war bereits ausgezogen und besuchte (auch deswegen) die Familie nur noch sehr selten. Die  jüngste Tochter (Klara, 17 Jahre alt) bereitete sich auf ihr Abitur vor und zog sich immer  mehr zurück, um in Ruhe lernen zu können. De facto fand (laut Gabi und Peter) kein  gemeinsames Familienleben mehr statt, nicht zuletzt auch, weil der Fokus der Eltern auf  dem mittleren Sohn lag, um den sie sich (berechtigterweise) immer Sorgen machten. Gabi  war ständig darum bemüht, Jonas von seiner Sucht abzubringen, indem sie ihn bei jeder  Gelegenheit kontrollierte, gleichzeitig unterstütze sie aber auch sein destruktives Verhalten,  indem sie seine Sucht verleugnete, für ihn log, ihn betrunken von Partys abholte, sein  Zimmer aufräumte, seine Wäsche wusch, ihn zur Arbeit und zum Arzt brachte usw. Peter  hatte sich mit der Zeit immer mehr abgekapselt und vermied, wann immer möglich, den  direkten Kontakt mit Jonas. Lies sich der Kontakt jedoch nicht vermeiden, kam es immer  häufiger zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den beiden, in die sich Gabi, als  besänftigende Vermittlerin, einmischte. Das wiederum führte immer öfter zu Konflikten  zwischen Gabi und Peter, die sich grundsätzlich uneins waren, bezüglich der Umgangsweise  mit der Suchtproblematik ihres Sohns.  

Der Coachingverlauf: In den ersten zwei Sitzungen ging es erst einmal nur darum, dass Gabi und Peter Gelegenheit bekamen, ihr Herz auszuschütten. Beide waren sehr aufgewühlt und fühlten sich zunehmend überfordert und verzweifelt und der Sucht ihres Sohnes hilflos ausgeliefert. Trotzdem konnten sie (insbesondere Gabi) nicht damit aufhören, Jonas immer neue Hilfsangebote zu unterbreiten oder ihn hinsichtlich seiner alltäglichen Lebensführung zu „unterstützen“. Als ich die beiden fragte, was ihrer Meinung nach passieren würde, wenn sie jegliche Hilfe einstellen würden, brach Gabi in Tränen aus und antwortete: „Dann ist er verloren und wird früher oder später am Alkohol sterben!“ Peter zuckte nur mit den Schultern und antwortete nicht. 

Beispielhafte Coaching-Intervention: Gabi und Peter bekamen eine Hausaufgabe von mir gestellt: Beide sollten (unabhängig voneinander) tabellarisch auflisten, was sie in der Vergangenheit alles unternommen hatten, um ihren Sohn von seiner Sucht abzubringen. Danach sollten sie die Wirksamkeit ihrer Aktionen innerhalb eines Rankings von 1 – 10 (gar nicht erfolgreich- sehr erfolgreich) bewerten. Bevor ich in der nächsten Stunde auf die Ergebnisse ihrer Hausaufgaben einging, erklärte ich ihnen das Krankheitsbild eines Alkoholikers, die 4 Phasen der Suchterkrankungen (nach E. Jellinek) sowie die 5 verschiedenen Trinker-Typen. Danach bat ich sie zum einen einzuschätzen, in welcher Suchtphase sich ihr Sohn befindet und zum anderen, welcher Trinker-Typ er ist. Während Gabi ihren Sohn als sogenannten Gamma-Alkoholiker (TT3) beschrieb, klassifizierte Peter seinen Sohn als sogenannten Delta-Trinker (TT4). Beide waren sich jedoch darin einig, dass das Suchtverhalten von Jonas der „Kritischen Phase“ (PH3) entsprach. Erst danach besprachen wir die Hausaufgaben der beiden, die verdeutlichten, wie wenig erfolgreich all ihre Versuche in der Vergangenheit gewesen waren. Auf meine Frage, ob sie dann eigentlich nicht alle weiteren Hilfsangebote einstellen könnten, regierten beide mit Ratlosigkeit. Gabi äußerte den Wunsch, von mir zielführende Hilfsangebote zu erfahren, um ihrem Sohn adäquat helfen zu können. Das war für mich die perfekte Überleitung zum Thema Co-Abhängigkeit.

 Kurze Methodenerklärung: Um mit Suchterkrankungen umgehen zu können, muss man zuerst einmal das allgemeine Krankheitsbild und die einzelnen Suchtphasen verstehen, denn Sucht ist eine Krankheit. Die Sucht als Krankheit zu verstehen, entbindet den Suchtkranken jedoch nicht von seiner/ihrer Eigenverantwortung, bezüglich seiner/ihrer Heilung. Wie bei jeder anderen Erkrankung ist der Betroffene maßgeblich mit dafür verantwortlich, ob er/sie gesunden will und kann oder nicht. Dieser Umstand ist insbesondere bei Suchterkrankungen von großer Bedeutung, denn ohne den erklärten Willen des Erkrankten gesunden zu wollen, wird er/sie diese Krankheit nicht besiegen können. Die Hoffnung der Angehörigen, der Betroffene möge doch bitte für sie (den Partner, die Familie) mit dem Trinken aufhören, wird sich nicht erfüllen, denn erst die Einsicht des Betroffenen in seine/ihre Abhängigkeit, und die damit verbundenen körperlichen, seelischen und sozialen Konsequenzen, macht eine Heilung möglich. Demzufolge ist es für Angehörige von Suchterkrankten immens wichtig, sich ihrer eigenen Rolle innerhalb des Sucht-Systems bewusst zu werden. Man spricht hierbei von einer sogenannten Co- (Mit-) Abhängigkeit die, nicht reflektiert, das vorherrschende System von Abwehr, Verleugnung, Selbstbetrug, zunehmendem Kontrollverlust und Selbstzerstörung, seitens des Suchtkranken, begünstigt (aufrechterhält!). 

Weiterer Coaching-Verlauf: Im Rahmen weiterer Sitzungen wurden sich Gabi und Peter zunehmend ihre Rollen als Co-Abhängige bewusst und sie verstanden nach und nach, warum ihr bisher gezeigtes Verhalten nicht zielführend war, sondern vielmehr das Suchtverhalten ihres Sohnes begünstigt hatte. Sie haben mit der Zeit gelernt, den Fokus weg von dem selbstzerstörerischen Verhalten ihres Sohnes, hin zu ihrem eigenen Verhalten zu lenken und in erster Linie für sich selbst zu sorgen. Gabi stellte ihre Unterstützung in Alltagsdingen und ihr Kontrollverhalten gegenüber Jonas schrittweise ein und Peter lernte, sich bewusst zu machen, in welchen Situationen ihm ein friedlicher Umgang mit seinem Sohn möglich ist, ohne, das es ihm dabei schlecht geht. Dadurch konnte er seine grundsätzliche Kontaktverweigerungshaltung (Abkapselung) aufgeben und es kam zwischen ihm und Jonas durchaus auch wieder zu aggressionsfreien Begegnungen. Nachdem Jonas jedoch durch seine Alkoholsucht seinen Ausbildungsplatz verloren hatte, zogen sie die Konsequenzen und haben ihn aufgefordert, auszuziehen und fürderhin für sich alleine zu sorgen. Eine für sie unfassbar schwere Entscheidung, die aber letztendlich mit dazu geführt hat, dass Jonas sich zu einem Entzug bereit erklärte. An einer der Coachingsitzungen haben auch die beiden Geschwister teilgenommen (Jonas hat die Einladung dazu nicht angenommen), wodurch erstmals ein offenes und ehrliches Gespräch zwischen diesen Familienmitgliedern zustande kam, welches von allen als sehr erhellend und entlastend empfunden wurde. 

Anmerkung: Jede Form der Suchterkrankung ist für Partnerschaften/Familien sehr belastend und kann sich als absolut zerstörerisch, hinsichtlich der Beziehungen untereinander, erweisen. Alle noch so gut gemeinten Unterstützungen für den Abhängigen (z. B. nicht-altersgerechte Alltagshilfen, Vertuschung, Lügen, Suchtmittelbeschaffung, finanzielle Hilfen, Fahrdienste usw.) begünstigen die Aufrechterhaltung des Suchtverhaltens und entbinden den Betroffenen gleichzeitig von seiner Eigenverantwortung und wirken sich somit kontraproduktiv auf eine mögliche Heilung aus. Neben der Suchterkrankung des Betroffenen entsteht eine sogenannte Co-Abhängigkeit der Bezugspersonen, die wiederum weitere Krankheitsbilder bei den davon betroffenen Personen auslösen kann (z. B. Schlaf- und Essstörungen, Erschöpfungssyndrom, Depression, Angst- und Zwangsstörung usw.).

Co-Abhängigkeit selbst ist jedoch KEINE Krankheit und hat auch nichts mit „schuldhaftem“ Verhalten seitens der Bezugspersonen zu tun! Co-Abhängigkeit ist vielmehr ein sehr häufig gezeigtes Verhaltensmuster von Bezugspersonen und somit eine bekannte Begleiterscheinung innerhalb des Sucht-Systems. 

Fazit: Jonas hat zuerst eine Entgiftung und danach eine Therapie (beides stationär) gemacht. In der Zwischenzeit haben Gabi und Peter entschieden, dass Jonas lediglich zeitlich begrenzt wieder zuhause einziehen darf und sich umgehend eine eigene Unterkunft und eine neue Arbeit/Ausbildung/Studium suchen muss. Zukünftig werden sie ihn nur noch unterstützen, wenn er trocken ist/bleibt und erkennbar die Verantwortung für sich und sein Leben übernimmt. Das Ganze war und ist ein langwieriger Prozess für alle Beteiligten und Gabi und Peter kommen von Zeit zu Zeit immer mal wieder in meine Beratung, die sie als unterstützende Begleitung/Auffrischung und Reflexionsmöglichkeit erleben und schätzen.

Weitere Coachingberichte...

Im Drei-Eck springen!

Bei diesem Beispiel aus dem Paar-Coaching handelt es sich um ein älteres Paar, welches sich in einer Dreiecks-Beziehung befindet.

Wechsel-Jahre!

Bei diesem Beispiel aus dem Individual-Coaching handelt es sich um eine Klientin mittleren Alters, die sich nach dem Auszug ihrer Kinder neu orientieren will.

Die Qual der Wahl!

Bei diesem Beispiel aus dem Individual-Coaching handelt es sich um einen Klienten, der eine wichtige Entscheidung treffen muss, und sich damit komplett überfordert fühlt.

Morgen höre ich auf...

Bei diesem Beispiel aus dem Familien-Coaching, handelt es sich um eine Familie, die sich einer Suchtproblematik stellen muss.

Wer ist hier der Boss?

Bei diesem Beispiel aus dem Individual-Coaching handelt es sich um einen beruflich sehr erfolgreichen jungen Klienten, der sich nicht sicher ist, ob er eine Führungs-position übernehmen soll.

Standortbestimmung!

Bei diesem Beispiel aus dem Paar-Coaching handelt es sich um ein Paar, das mit dem Thema -weitere Lebensplanung- beschäftigt ist.
Image

Newsletter bestellen