Coachingbericht zum Thema
-Standortbestimmung-

Lesen Sie hier von Katja und Tobias, die im Rahmen einer Paar-Beratung/Coachings
über ihre zukünftige Lebensplanung sprechen wollten.
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Standortbestimmung!

Der Fall: Katja und Tobias waren seit 6 Jahren ein Paar, als sie zu mir in die Praxis kamen. Katja war Ende 20 und hatte gerade ihr Chemiestudium mit einem Doktortitel erfolgreich abgeschlossen, Tobias war Ende 30 und arbeite seit etlichen Jahren als Lehrer an einem Gymnasium. Sie wohnten seit 3 Jahren zusammen in einer Mietwohnung und planten, sich ein Haus zu kaufen. Im Rahmen dieser Planung war das Thema –Kinder- immer öfter aufgekommen und hatte sich zu einem großen Streitpunkt zwischen den beiden entwickelt. Katja wollte in der Forschung beruflich durchstarten, während Tobias schnellst möglichst Kinder haben wollte, auch, um als Vater nicht zu alt zu sein. Die Frage war also, wo die gemeinsame Reise nun hingehen sollte?

Der Coachingverlauf: In der ersten Sitzung erzählten beide von sich und ihrem jeweiligen bisherigen Lebensweg. Katja war wohlbehütet mit einer älteren Schwester aufgewachsen; die Mutter war Krankenschwester, der Vater kaufmännischer Leiter einer großen Firma. Es hatte ihr nie an etwas gefehlt und ihre Eltern hatten sie immer, auch hinsichtlich ihrer Berufswahl, unterstützt. Tobias kam aus einer Großfamilie, mit 4 anderen Geschwistern. Seine Mutter war nie berufstätig, sein Vater war Kfz-Meister und betrieb eine Autowerkstatt und hatte infolge dessen immer sehr viel gearbeitet. Als Ältester von den Geschwistern hatte Tobias sehr schnell Verantwortung übernehmen müssen, auch bezüglich der Erledigung von Alltagsdingen, denn sein Vater war so gut wie nie anwesend und seine Mutter benötigte Hilfe. Meine erste Frage an beide war, warum sie sich ein Haus kaufen wollten? Für Katja war es in erster Linie eine gute Kapitalanlage, was auch implizierte, dass sie nicht für immer in dem Haus leben müsste. Für Tobias stellte es den Anfang einer Familiengründung dar; er wollte ein Heim errichten, in dem er und seine (noch zu gründende) Familie in Zukunft leben sollten. Ich machte Katja und Tobias auf ihre unterschiedlichen Motivationen, bezüglich des geplanten Hauskaufes aufmerksam und fragte sie, wie sich das für sie anfühlen würde? Für Katja war das kein Problem, weil schließlich verhandelbar, für Tobias schon. An dem Punkt entstand eine lebhafte Diskussion zwischen den beiden, u. a. über Werte und Ziele im Leben.

Beispielhafte Coaching-Intervention: Um diese Diskussion zu strukturieren machte ich sie mit dem Riemann-Thomann-Modell bekannt, welches ein Beziehungs-, Toleranz- und Entwicklungsmodel aus der Kommunikationswissenschaft ist. Bildlich dargestellt zeigt es zwei Achsen, die sich kreuzen: auf der senkrechten Achse stehen sich die beiden Pole Dauer(oben) und Wechsel (unten) diametral gegenüber, auf der waagerechten Achse die beiden Pole Nähe (links) und Distanz (rechts). Alle 4 Pole stehen für die jeweiligen Grundbestrebungen von Menschen. Gegenläufige Bestrebungen (z. B. in einer Beziehung) führen, aufgrund der erlebten Unterschiedlichkeit, sehr oft zu Konflikten

Kurze Methodenerklärung: Das Rieman-Thoman-Modell beschreibt KEINE stereotypen Krankheitsbilder sondern grundsätzlich erst einmal die Grundbestrebungen, die jeder Mensch, mehr oder weniger ausgeprägt, in sich trägt (was sich im Laufe eines Lebens auch ändern kann!). Im Rahmen von Paar-, Familien- , aber auch Teamcoachings ist es wichtig, sich die aktuell vorherrschenden Grundbestrebung der einzelnen Personen (Persönlichkeitstypen) genau anzuschauen, nicht zuletzt, um das damit verbundene mögliche Konfliktpotenzial innerhalb des Beziehungssystems zu verdeutlichen. Katja und Tobias sollten erst einmal versuchen, ihren Persönlichkeitstyp zu bestimmen und markierten dafür auf dem Modellbild (Flipchart) ihre aktuelle Position.

Weiterer Coaching-Verlauf: Dabei kam heraus, dass Katja sich im Bereich Wechsel-Distanz verortete, während Tobias sich eindeutig im Dauer-Nähe Bereich sah. Ein für beide erst einmal erschreckendes Bild, welches ihnen aber augenblicklich ihr Konfliktpotenzial verdeutlichte. Die im Anschluss daran geführten Gespräche ermöglichten beiden, sich offen und ehrlich bezüglich ihrer Ziele und Wünsche für die gemeinsame Zukunft auszutauschen, was nicht immer leicht war. Während Katja eine berufliche Karriere in der Forschung anstrebte, die vielleicht sogar einen längeren Auslandsaufenthalt implizierte, war Tobias an dem Punkt, eine Familie gründen zu wollen, verbunden mit dem Wunsch, dieser ein gemütliches Heim auf Dauer zu bieten, in dem die (zukünftigen) Kinder unbeschwert und frei aufwachsen und sich entwickeln könnten. Auf die Frage, ob er sich auch vorstellen könnte, als „Hausmann“ daheim zu bleiben, während seine Frau Karriere machte, antwortete er mit einem eindeutigen NEIN. Er gab an dieser Stelle unumwunden zu, dass sein Bild von einer Familie durchaus traditionell sei, meint, die Mutter kümmert sich überwiegend um die Kinder, während der Vater die Existenz der Familie absichert. Allerdings mit dem Unterschied zu seiner Herkunftsfamilie, dass er sich weitaus mehr und intensiver um seine Kinder kümmern wollte, als sein eigener Vater das getan hatte und, dass seine Frau durchaus auch arbeiten gehen könne, allerdings nicht Vollzeit.

Anmerkung: Jeder Mensch hat alle 4 Grundbestrebungen, allerdings kann sich die Dominanz der einzelnen Bestrebungen im Laufe des Lebens ändern. Es ist wichtig, sich seiner aktuellen Bestrebungen (Bedürfnisse) und der Stringenz, mit der man diese verfolgt und auslebt, bewusst zu sein, ansonsten schadet man sich (und seinen Beziehungen) auf Dauer, wenn man dagegen „anlebt“. Es macht keinen Sinn, sich z. B. aus Verlustangst oder Angst vor negativer sozialer Bewertung den Bestrebungen des Partners dauerhaft unterzuordnen, denn damit sind oft schwere Konflikte vorprogrammiert. Es mag Menschen geben, die sich bis zur totalen Selbstaufgabe anpassen, nicht zuletzt, weil sie nie den Mut (oder die Gelegenheit) hatten, sich ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ziele einzugestehen oder ihre Glaubenssätze zu hinterfragen. Ich persönlich finde es hilfreich (und auch notwendig) sich von Zeit zu Zeit zu fragen, ob man genau DA ist, wo man sein wollte, bzw. DER/DIE ist, der man sein wollte und sich, gemäß seiner eigenen Bestrebungen, noch auf der Zielgerade befindet. Diese Innenschau verlangt Mut und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, zeugt aber gleichzeitig von einem hohen Maß an Eigenverantwortung und Selbstachtsamkeit.

Fazit: In etlichen Coachingsitzungen haben Katja und Tobias miteinander sehr ehrlich und offen gesprochen, haben miteinander verhandelt, sind sich entgegen gekommen, haben sich deutlich voneinander distanziert, zusammen gelacht und geweint. Ein für beide sehr anstrengender, teilweise schmerzhafter, aber auch Gewinn bringender Prozess. Die Frage des gemeinsamen Hauskaufs haben sie erst einmal hintan gestellt und sich aus dem Coachingprozess mit dem Ziel verabschiedet, an ihren gemeinsamen aber auch trennenden Themen dran zu blieben. Ca. 8 Monate später kamen Katja und Tobias noch einmal zu mir in das Paar-Coaching, weil Tobias sich in der Zwischenzeit in eine Kollegin verliebt hatte und Katja verlassen wollte. In weiteren Coachingsitzungen haben beide es geschafft, ihre Beziehung friedvoll und mit Respekt und der gegenseitigen Achtung voreinander zu beenden. Katja ist in eine andere Stadt gezogen und hat einen Forschungsauftrag angenommen, Tobias ist mittlerweile mit seiner neuen Partnerin zusammen gezogen und hat sehr schnell eine eigene Familie gegründet.

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